Klage: Beispiel 051gegen das Jobcenter Märkischer KreisThema: Leistungsanspruch nach EU-Recht (hier: Spanien)
SGB II § 7 Widerspruch eR-35502-00092/13
Sozialgericht Dortmund, Az.: S 19 AS 5107/13 ER , 22.01.2014
Widerspruch eR-35502-00036/14
Sozialgericht Dortmund, Az.: S 19 AS 1836/14 ER , 04.08.2014
|
Mit dem
„Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch“
- (ehrlicher: „EU-Bürger-Ausschlussgesetz“ .) hebelt die Regierung aktuell EU-Recht aus.
Kurze Einleitung
Nach 25 Jahren ununterbrochener Erwerbsarbeit in Spanien geriet der Bäckermeister S. unverschuldet in die Arbeitslosigkeit. Zwei seiner vier Kinder haben inzwischen die Schulzeit beendet und damit das Alter erreicht, um sich auf eigene Füße zu stellen und eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Bei einer offiziellen Arbeitslosenquote in Spanien von 26,6 % im September 2013 waren die Jobchancen in der Heimat gering und die Familie entschied sich dazu der alten Heimat den Rücken zuzukehren, um nach Deutschland zu gehen, wo die Jobchancen nach offizieller Auslegung um ein Vielfaches höher lagen. Immerhin prahlte die Bundesregierung weltweit mit einer Arbeitslosenrate in Deutschland von nur 6,5 % (bzw. 5,2 %) im gleichen Zeitraum und propagiert dazu noch medienwirksam, dass arbeitswillige Facharbeiter händeringend gesucht werden. - Solche Berichte hatten wohl auch die spanische Familie ermutigt, die Möglichkeiten der innereuropäischen Freizügigkeit zu nutzen, um die eigene Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. Zunächst versuchte die Familie mit Arbeitslosengeld aus Spanien in Iserlohn Arbeit und Anschluss zu finden. Dazu kam dann noch Kindergeld. Allerdings fand sich vor Ort zunächst nur eine minimale Beschäftigung für Vater und Tochter. Als die Zahlung der Leistungen aus Spanien eingestellt wurde, musste zur Existenzabsicherung die Beratung des Jobcenters Märkischer Kreis aufgesucht werden. Die Rechtsauskünfte, die der Familienvater beim Jobcenter erhielt, waren nachweislich falsch. Durch ein aktives Vereinsmitglied von aufRECHT e.V. kam die Familie in Kontakt mit dem Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker, dem Justiziar des Vereins. Dieser erkannte sofort die Rechtswidrigkeit der Abweisung durch das Jobcenter und er stellte stellvertretend einen Antrag auf eine Einstweilige Anordnung. Das Sozialgericht Dortmund bestätigte die Rechtsposition des Anwaltes und gab der Familie Recht. "Das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA), als Vertrag 014 von den Mitgliedern des Europarates am 11. Dezember 1953 in Paris unterzeichnet, trifft eine Regelung für den Bezug von Fürsorgeleistungen von Staatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Gebiet eines anderen Unterzeichnerstaates aufhalten. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen Fürsorgeleistungen zu gewähren, die in der jeweils geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Für den Bezug von Sozialhilfe in Deutschland bedeutet dies, dass rechtmäßig in Deutschland lebende Ausländer aus einem Staat, der dieses Abkommen unterzeichnet hat, Deutschen sozialrechtlich gleichgestellt sind. Das EFA haben alle Staaten, die bereits vor dem Jahr 2004 der Europäischen Union angehört haben, außer Österreich und Finnland, unterzeichnet, sowie Estland, Malta, die Türkei, Island und Norwegen." wikipedia Trotz der Entwicklung der Sozialrechtsprechung zum Leistungsanspruch von EU-Bürgern verweigerte das Jobcenter Märkischer Kreis bockig die Weiterbewilligung der Leistungen und stellte die Zahlungen ein. Dass zwei Familienmitglieder inzwischen Arbeit aufgenommen haben, wurde beim Jobcenter nicht gewürdigt. Trotz eindeutigen Ersturteil, provozierte das Jobcenter Märkischer Kreis ein weiteres Klageverfahren im Einstweiligen Rechtschutz. Am 04.08.2014 erließ das Sozialgericht Dortmund durch die vorsitzende Richterin einen weiteren Beschluss S 19 AS 1836/14 ER in gleicher Sache. Auch diesmal (Mandatswechsel) wurde das Jobcenter Märkischer Kreis verpflichtet, Zahlungen entsprechend der neuen Familienverhältnisse nachzuleisten. Durch solche verweigerten Zahlungen verschrickt das Jobcenter Märkischer Kreis regelmäßig Leistungsberechtigte in Überschuldung, Räumungsklagen und Energiesperren. |
Chronologie
04.11.2013 Ablehnungsbescheid 08.11.2013 Widerspruch 08.11.2013 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 22.01.2014 Beschluss |
Urteile zum Thema: EU-Recht
SG Dortmund, 04.08.2014 S 19 AS 1836/14 ER SG Hildesheim, 22.05.2014 S 43 AS 618/14 ER . () 2014-02-01 PEG 21 Zugang von Ausländerinnen und Ausländern zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II . (69 S., kb) BSG, Revision anhängig LSG NRW, 10.10.2013 L 19 AS 129/13 . (Rumänien) EU-GH, 19.09.2013 C-140/12 . (Österreich) SG Dortmund, 26.09.2013, S 5 AS 4143/13 ER . (Österreich) LSG NRW, 05.09.2013, L 6 AS 1080/13 B ER . (Slowakei) SG Dortmund, 05.06.2013, S 58 AS 1833/13 ER . (Portugal) SG Köln, 11.03.2013, S 36 AS 303/11 . (Irak, Nicht-EU) SG Dortmund, 14.02.2014, S 19 AS 5107/13 ER (Spanien) LSG NRW, L 6 AS 130/13, Urteil vom 28.11.2013 "Hartz IV" - Anspruch auch für EU-Bürger aus Rumänien . Hartz IV-Anspruch gilt auch für EU-Bürger aus Rumänien . SG Leipzig, 28.03.2012, Beschluss S 20 AS 852/12 ER (Griechenland) Bundessozialgericht, 19.10.2010 B 14 AS 23/10 R . (Frankreich) LSG Berlin-Brandenburg, 11.11.2009 L 10 AS 1801/09 . (Frankreich) SG Berlin, 20.10.2009, S 121 AS 16414/09 |
Infos zum Thema: EU-Recht
2014-03 BMAS "Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten" . (136 S.) 2013-12 sozialrecht justament Zweite Sondernummer zum Ausschluss von EU-BürgerInnen aus dem SGB II . 2013-11 sozialrecht justament Sondernummer aus aktuellem Anlass . 2013 Bundesagentur für Arbeit . (41 S.) 2012-05-21 BA Zentrale, PEG 21 Zugang von Ausländerinnen und Ausländern zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II Zentrale, PEG 21 . (10 S.) 2013-12 Leitfaden Arbeitserlaubnisrecht für Flüchtlinge und MigrantInnen . 1953-12-11 EU-Vertrag Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) . (6 S.) Details zum Vertrag-Nr.014 . (1 S.) |
Fazit:
Trotz ähnlich gelagerter Fälle, die bisher immer zugunsten der Klageführer entschieden wurden, fehlt es den Verantwortlichen der Sozialbehörde offensichtlich an dem Willen, den aktuellen Vorgaben der Rechtssprechung zu folgen. Hartnäckig wurde an einer veralteten Rechtslage festgehalten. Ob tatsächlich "nur" ein Mangel an Fortbildung, Europafeindliche Motivation oder absichtliche Vermögensschädigung Hilfebedürftiger vorliegen, kann weder behauptet, noch bestritten werden. Vor dem Hintergrund der Widerspruchs- und Klagestatistik kann nicht bestritten werden, dass das Jobcenter Märkischer Kreis viel zu oft ermessenfehlerhafte und rechtswidrige Bescheide erlässt, die eine unabhängige Überprüfung mehr als rechtfertigen. |